In Partnerschaft mit dem Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland e.V. (VGSD) hat der Neunkirchener Hersteller der Selbstständigensoftware invoiz den „Selbstständigen Report 2018“ entwickelt, der heute offiziell veröffentlicht wird. An der Befragung dazu nahmen über 3.000 Selbstständige aus ganz Deutschland teil. Die kompletten Ergebnisse liegen nun vor.
Verzicht auf Steuerberater – Buchführungs- und Steuerpflichten in Eigenregie
Jeder vierte Befragte verzichtet komplett auf die Unterstützung durch einen Steuerberater. Kleinunternehmer mit Jahresumsätzen bis zu 17.500 Euro beweisen bei Erfüllung ihrer Steuer- und Buchführungspflichten sogar mehrheitlich Mut zur Lücke: 55 % der Befragten verzichten hier auf professionelle Hilfe. Auch bei Alter und Bildungshintergrund zeigen sich Unterschiede: Hochschulabsolventen sichern sich mehrheitlich die Unterstützung eines Beraters. Dagegen verzichten ausgerechnet drei von vier Befragten ohne Hochschul- oder Berufsabschluss darauf, einen Steuerberater zu beauftragen.
Selbstständige und die Politik – ein zerrüttetes Verhältnis
Hauptnachteil der Selbstständigkeit ist das Bürokratieproblem. 59 % der Befragten haben bürokratische Hürden als Haupthindernis in ihrer Geschäftspraxis ausgemacht. Selbstständige vermissen darüber hinaus hierzulande Respekt und faire Behandlung durch Politiker und staatliche Einrichtungen: Vier von fünf Befragten fühlen sich von der Politik wenig oder gar nicht respektiert. Noch größer (82,4 %) ist der Anteil der Selbstständigen, die mit Blick auf eine faire soziale Absicherung Verbesserungsbedarf oder gar erheblichen Verbesserungsbedarf sehen.
Wenn heute Bundestagswahl wäre – überraschende Präferenzen
Eine große Überraschung: Mit 24,8 % fühlen sich die Befragten den „Grünen“ politisch am nächsten – gefolgt von der FDP mit 22,5 %. Die CDU erreicht bei der Umfrage gerade einmal 19,4 %. Sie ist damit aber immer noch fast doppelt so stark wie die SPD: Bei der Frage nach der Parteipräferenz kommen die Sozialdemokraten bei Selbstständigen auf gerade einmal 10,6 %. Sie werden damit sogar von der „Linken“ überholt: Mit 13,1 % der Befragten fühlen sich mehr Selbstständige der Linken verbunden als in der Gesamtbevölkerung. Bei der AfD ist das genau umgekehrt: Mit 8,5 % der Befragten liegt ihr Anteil rund ein Drittel unter ihrem allgemeinen Wähleranteil.
Viele Selbstständige, geringer Stundenlohn – wie es um die regionale Verteilung steht
In Berlin ist der Anteil der Selbstständigen an der Gesamtbevölkerung mit Abstand am höchsten. In Sachsen-Anhalt beträgt die Selbstständigen-Dichte dagegen gerade einmal ein Fünftel des Berliner Anteils. Hinter der Hauptstadt liegt mit Hamburg ein weiterer attraktiver Stadtstaat – gefolgt von Bayern und Hessen. Am unteren Ende der Selbstständigen-Dichte finden sich neben Sachsen-Anhalt mit Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Brandenburg drei weitere neue Bundesländer. Auch im Saarland und in Niedersachsen ist der Selbstständigen-Anteil auffällig gering.
Anders sieht es beim Stundensatz aus: Mit einem durchschnittlichen Stundensatz von 91 Euro liegt Rheinland-Pfalz vorne. Berlin hingegen gehört mit einem Durchschnitts-Stundensatz von 61 Euro im bundesweiten Vergleich zusammen mit ihren Kollegen in den fünf anderen ostdeutschen Bundesländern und in Schleswig-Holstein zu den Einkommens-Schlusslichtern. Mit einem durchschnittlichen Stundensatz von 44 Euro liegen Thüringens Selbstständige weit abgeschlagen am Ende der Einkommens-Tabelle.
It’s a man’s world – die Welt der Selbstständigen ist nach wie vor männlich dominiert
Nur ein Drittel der Umfrageteilnehmer ist weiblich. In den Altersgruppen der unter 30-jährigen beträgt der Anteil der selbstständigen Frauen zwischen 15 % und 20 %. Mit mangelnder Qualifikation hat das Geschlechter-Missverhältnis nichts zu tun: Der Anteil von Hochschul- und Fachhochschulabsolventinnen unter den weiblichen Selbstständigen liegt mit 70,6 % sogar deutlich über dem ihrer männlichen Kollegen (59,2 %). Trotzdem gehen Frauen, die sich selbstständig machen, offenbar vorsichtiger zu Werke: Fast jede Fünfte (18,4 %) entscheidet sich für den Kleinunternehmer-Status und legt sich so auf einen Jahresumsatz von unter 17.500 Euro fest. Zum Vergleich: Nur 8,1 % der männlichen Selbstständigen sind umsatzsteuerliche Kleinunternehmer.
In den oberen Umsatzregionen sind Frauen dementsprechend seltener vertreten: Während fast die Hälfte der männlichen Selbstständigen Umsätze zwischen 60.000 Euro und 240.000 Euro erzielt (46,9 %), erreicht nur rund ein Viertel der selbstständigen Frauen dieses Umsatzsegment (24,3 %). Unter den Selbstständigen, die mehr als 240.000 Euro umsetzen, sind Männer sogar dreimal häufiger vertreten.
Gender Pay Gap – Lücke noch immer vorhanden
Die von uns befragten selbstständigen Dienstleisterinnen gaben einen durchschnittlichen Stundensatz von 63 Euro an. Ihre männlichen Kollegen berechnen demgegenüber im Schnitt einen Stundensatz von 78 Euro: Das bedeutet, dass Frauen rund 19 % weniger verdienen als Männer. Rund die Hälfte der Frauen (46,7 %) betrachtet die aktuelle Lage ihrer Unternehmung als mäßig, schlecht oder gar existenzbedrohend.
Automatisierung im Job – keine Angst vor künstlicher Intelligenz
Unabhängig von Alter, Qualifikation, Standort und Branche gehen mehr als die Hälfte der Befragten Selbstständigen (56,8 %) davon aus, dass allenfalls geringfügige Teile ihrer derzeitigen Arbeit in 20 Jahren automatisiert erledigt wird. Ein weiteres Viertel (26 %) erwartet überhaupt keine Änderungen. Nur etwa jeder sechste Befragte (17,1 %) geht davon aus, dass die derzeit ausgeübte Tätigkeit Ende der 2030er Jahre ganz oder überwiegend durch Software oder Roboter erledigt wird. Auffällig sind allerdings die Bereiche Versicherung und Verwaltung: Im Verwaltungssektor halten sich optimistische und skeptische Prognosen über die Automatisierung die Waage. In der Versicherungsbranche gehen hingegen zwei von drei Befragten (65 %) davon aus, dass der überwiegende Teil ihrer Arbeit in 20 Jahren automatisiert erledigt wird.
Hauptmotive für die Selbstständigkeit – die meisten würden es wieder tun
Selbstbestimmung, mehr zeitliche Flexibilität und höhere Verdienstmöglichkeiten – das sind die Hauptmotive der von uns befragten Selbstständigen. Notgründungen, wie sie in Zeiten der „Ich-AGs“ zu beobachten waren, sind heutzutage eher die Ausnahme: Nur knapp 12 % der Umfrageteilnehmer gaben fehlende Erwerbsalternativen als einen Beweggrund ihrer Unternehmensgründung an.
Besonders bemerkenswert: Die positiven Erwartungen an die Selbstständigkeit werden in der Praxis offenbar mehrheitlich erfüllt. Gut 86 % der Befragten würden sich wieder selbstständig machen. Einer der Garanten des geschäftlichen Erfolgs ist das überdurchschnittliche Qualifikationsniveau der Selbstständigen: Laut unserer Erhebung verfügen zwei von drei Selbstständigen über einen Hochschulabschluss (63 %).
„Mit dem Selbstständigen Report 2018 haben wir einen großen und ebenso differenzierten Überblick über die Lage der Selbstständigen, Freelancer und Gründer in Deutschland. Die Ergebnisse überraschen zum Teil stark, etwa die riskante Entscheidung, Gewinnermittlung und Steuererklärungen ohne fachliche Beratung zu erledigen. Aus meiner täglichen Arbeit weiß ich, wie wichtig es den Selbstständigen ist, Tools zu nutzen, mit denen man die Dinge einfach und schnell selber regeln kann. Mit invoiz machen wir den Gründern zum Beispiel immer wieder bewusst, dass diese Art der Tools jedoch keinen Steuerberater ersetzen. Erschreckend ist für mich auch der geringe Anteil der selbstständigen Frauen. Diese Umfrage ist ein guter Wegweiser, der uns zeigt, wo die Ängste und Sorgen liegen und wo es Aufklärungs- und Verbesserungsbedarf gibt“, sagt Moritz Buhl, Head of Business Unit invoiz bei der Buhl-Gruppe.
„Anstatt zu helfen, schnürt der Staat mit immer mehr Bürokratie und unklaren Rechtsvorschriften den Selbstständigen die Luft zum Atmen ab. Dies belastet gerade Solo- und Teilzeit-Selbstständige zeitlich überproportional. Je nach Zielsetzung der Parteien werden die Selbstständigen darüber hinaus mal in die Schublade „scheinselbstständig“ und dann wieder in die des „Porschefahrers und Steuerbetrügers“ gesteckt. Und auf Basis dieser Vorurteile werden dann Gesetze gemacht. Klar, dass viele das Gefühl haben, nicht verstanden und respektiert zu werden. Die Umfrage zeigt deutlich, dass die Politiker genauer und unvoreingenommener zuhören sollten. Ich wünsche mir vor allem mehr Rechtssicherheit. Aktuell werden viele IT-Projekte ins Ausland verlagert, weil man innovative Projekte in Deutschland nicht rechtssicher durchführen kann“, sagt Dr. Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender des VGSD.
Quelle: PIABO PR GmbH