Köln – Im Internet ist die Hemmschwelle meist niedriger als von Angesicht zu Angesicht – unter dem Deckmantel der Anonymität fühlt sich so manch einer dazu verleitet, verletzende Kommentare zu schreiben oder unwahre Behauptungen aufzustellen. Drohen demjenigen tatsächlich keine Konsequenzen? Und wie können Betroffene in solch einem Fall vorgehen? Diese Fragen klärt im Folgenden Markus Mingers, Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei Mingers & Kreuzer.
Dürfen Webseiten Daten von Nutzern herausgeben?
„Ein Urteil des BGH zeigt: Websitebetreiber müssen Daten von anonymen Internetnutzern nicht herausgeben – selbst wenn es sich bei den Äußerungen um unwahre Tatsachen handelt und eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte vorliegt“, weiß Markus Mingers. In einem Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH) klagte ein Arzt gegen ein Online-Portal, auf welchem Mediziner bewertet werden können. Diese Website nutzte ein anonymer Nutzer, um falsche Behauptungen über den Arzt zu verbreiten. Der Mann fühlte sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt und verlangte daraufhin die Herausgabe der Nutzerdaten, um rechtlich gegen den Verfasser vorzugehen.
Die Richter des BGH verneinten diesen Auskunftsanspruch.
Das Telemediengesetz (TMG) von 2007 legt fest, dass die Anbieter von Internet-Diensten die Nutzung „anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen“ haben, „soweit dies technisch möglich und zumutbar ist“. Dazu der Rechtsexperte: „Die Anbieter dürfen die Nutzerdaten nur in den Fällen herausgeben, in denen der Nutzer ausdrücklich seine Zustimmung gibt oder es dafür eine gesetzliche Grundlage gibt. Laut BGH existiert ein solches Gesetz für die Herausgabe von Nutzerdaten an die Opfer verletzender Kommentare allerdings nicht.“
Welche Möglichkeiten gibt es, gegen Kommentare vorzugehen?
Nichtsdestotrotz sind Opfer anonymer Angreifer im Netz diesen nicht schutzlos ausgeliefert. „Wer im Internet beleidigt wird, hat die Möglichkeit, eine Unterlassungsklage einzureichen. Mit dieser kann ein Netzseitenbetreiber dazu verpflichtet werden, einen Kommentar zu löschen. Der Arzt, der vor dem BGH klagte, hatte damit Erfolg“, so Mingers.
Wer gegen den Verfasser selbst vorgehen will, muss eine Strafanzeige erstatten. Bewertet die Staatsanwaltschaft den Kommentar als Straftat, so beginnt sie gegen den Urheber zu ermitteln. Eine Konsequenz kann zum Beispiel eine Hausdurchsuchung sein – denn auch wenn die Nutzung von Pseudonymen im Internet den Anschein von Anonymität erweckt, bewegt man sich im Netz keineswegs unerkannt. Der Internetanschluss verfügt über eine individuelle Kennung, die sogenannte IP-Adresse, mit der sich anonym verfasste Kommentare zurückverfolgen lassen.
Ab wann ist ein Online-Kommentar eine Straftat?
„Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich durch Äußerungen im Netz strafbar zu machen – beispielsweise durch falsche Tatsachenbehauptungen. Wer also einen Politiker in einem Online-Kommentar als bestechlich bezeichnet, kann sich wegen Beleidigung (§ 185 StGB) strafbar machen“, erläutert der Rechtsanwalt. Ein Problem stellt jedoch die Abgrenzung zwischen einem zulässigen Werturteil und der unzulässigen sogenannten Schmähkritik. Aufgabe der Richter ist es, zwischen der Meinungsfreiheit des Verfassers und dem Persönlichkeitsrecht des Opfers abzuwägen.
Des Öfteren müssen sich Gerichte mit Beleidigungen näher befassen, um herauszufinden, ob sie durch die Meinungsfreiheit gedeckt sind. „Grundsätzlich sind all jene Kommentare im Netz Straftaten, die im Fall von Beleidigung nach § 185 StGB mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und im Fall von Verleumdung nach § 187 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden. In der Praxis bleibt es oft aber nur bei einer Geldstrafe“, so Mingers. Ob tatsächlich eine Straftat vorliegt, entscheidet letzten Endes aber allein das Gericht.
Quelle: Jeschenko MedienAgentur Köln GmbH