Frankfurt am Main (ots) – Einleitung
Der Ausblick für die Schwellenländer hängt in hohem Maße von der Lage im Euroraum sowie davon ab, inwieweit China seine Binnennachfrage ankurbeln kann. In Bezug auf den Euroraum sind wir weiterhin sehr besorgt. China dagegen sehen wir weiterhin als eine der wenigen Quellen an, aus denen in den kommenden Monaten gute Nachrichten für die Finanzmärkte kommen könnten.
In dieser Ausgabe des Emerging Equity Markets Monthly (EEMM) werden wir erläutern, wie wir uns angesichts unserer Prognosen für den Euroraum und für China positionieren. Wir sind weiterhin defensiv positioniert und haben diejenigen Länder untergewichtet, die am stärksten vom Welthandel abhängig sind und den größten ausländischen Finanzierungsbedarf aufweisen. Gleichzeitig halten wir China, Indien und Russland für attraktiv, da die Wachstumsdynamik in diesen Ländern höher als anderswo sein dürfte.
Langsameres Wachstum der Weltwirtschaft, Verschärfung der Krise im Euroraum, China als Hoffnungsträger
Nach einer merklichen Unterperformance im September schnitten Schwellenländer-Aktien im Oktober und November relativ gut ab. Der Kursrückgang im September war vor allem auf die Befürchtung zurückzuführen, dass es in China zu einer harten Landung kommen könne.
Die chinesischen Behörden begannen bereits im September, die Kreditvergabebedingungen für kleine und mittelständische Unternehmen zu lockern. Und in der ersten Oktoberwoche wurde eine politische Kursänderung deutlich signalisiert, indem die erste Anleiheemission einer Provinz zur Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen angekündigt wurde. Seither waren weitere Belege für eine Lockerungstendenz zu erkennen: ein Paket mit steuerlichen Maßnahmen und zur Förderung der Kreditvergabe an kleine und mittelständische Unternehmen und ein Anstieg der Neukreditvergabe der Banken. In der letzten Oktober- und der ersten Novemberwoche war das Neukreditvolumen um 25% höher als in den ersten Oktoberwochen.
Diese Hinweise auf eine politische Kursänderung haben dazu beigetragen, die Furcht vor einer harten Landung merklich abklingen zu lassen, die den chinesischen Markt belastet und zu einer deutlichen Unterperformance von Schwellenländer-Aktien gegenüber den Industrieländern geführt hat. Die Stimmungsaufhellung in Bezug auf den politischen Kurs und die Konjunktur in China erwies sich als kräftig genug, um die negativen Auswirkungen der verschlechterten Situation im Euroraum auf die Schwellenländer zu kompensieren.
Da es inzwischen tatsächlich als möglich erscheint, dass Griechenland aus dem Euroraum ausscheidet, und italienische Anleiherenditen ein gefährliches Niveau erreicht haben, hat sich die Krise in Europa (wieder einmal) zugespitzt. Die möglichen Implikationen für das weltweite Finanzsystem, den Welthandel und die Kapitalströme in die Schwellenländer sind beträchtlich. Die globalen Aktienmärkte – einschließlich der Schwellenländer-Aktien – sind anfällig. Im bisherigen Jahresverlauf war die Korrektur moderat. In den vergangenen Wochen haben sich die Märkte bemerkenswert gut gehalten. Die Wirtschaftsdaten aus den USA und China waren zuletzt besser als erwartet, aber zugleich sind die Risiken für das europäische Finanzsystem nunmehr höher als noch vor einigen Monaten. Unseres Erachtens könnten die Aktienkurse von ihrem gegenwärtigen Niveau aus deutlich sinken, wenn die Krise im Euroraum weiter schwelt.
Trotz des günstigeren Ausblicks für China sind die Schwellenländer nicht immun. Im aktuellen Umfeld, in welcher das weltweite Wachstum weiterhin schwächelt, und die größte Wirtschaft Europa auf eine Rezession zusteuert, bedingt durch große Risiken einer umfassenden Bankenkrise und schlechten Aussichten beim Handelswachstum und beim Kapitalfluss. Das Exportwachstum in Asien ist bereits seit drei Monaten negativ. Der Gesamtwert der Exporte der asiatischen Schwellenländer ist inzwischen um 7% niedriger als im Juli. Bei der jüngsten Veröffentlichung des Einkaufsmanagerindex für China ging der Wert für die Export-Auftragseingänge wieder unter die neutrale Schwelle von 50 zurück, was darauf hindeutet, dass das Exportwachstum in den kommenden Monaten und vielleicht sogar Quartalen negativ bleiben dürfte.
Unsere schwerwiegenden Befürchtungen in Bezug auf die Lage im Euroraum und die Anfälligkeit der Kapitalströme in die Schwellenländer sind die Hauptgründe dafür, dass wir in unserem Schwellenländer-Aktienportfolio eine defensive Positionierung beibehalten. Wir halten diejenigen Märkte für attraktiv, in denen die Wachstumsdynamik stärker als anderswo sein dürfte: China, Indien und Russland. In China verlangsamt sich das Wachstum, aber da der Inflationsdruck sinkt und die Behörden die Wirtschaftspolitik gelockert haben, halten wir das Risiko einer harten Landung im Jahr 2012 für begrenzt. Der Aktienmarkt entwickelt sich seit Anfang Oktober günstig, und unseres Erachtens besteht beträchtliches Aufwärtspotenzial, wenn die Behörden ihren Lockerungskurs fortsetzen. Unsere negative Prognose für Europa hängt mit der positiven Prognose für China zusammen. Wir sind der Auffassung, dass die chinesischen Behörden entschiedener handeln werden, wenn sich das Exportwachstum stärker abschwächt. Anders ausgedrückt: Eine Verschärfung der Krise in Europa führt zu einer aggressiveren Lockerung der Politik in China.
Die Gründe für Investitionen in Indien sind nicht so eindeutig. Die Konjunktur verlangsamt sich wegen der höheren Zinsen und der politischen Turbulenzen, was sich auf die Infrastrukturinvestitionen ausgewirkt hat. Der Aktienmarkt hat von Oktober 2010 bis Februar 2011 schlecht abgeschnitten. Seither hat sich Indien parallel zu den übrigen Schwellenländern entwickelt. In der Zwischenzeit sind die Gewinnerwartungen gesunken, und die Marktbewertung ist zum langfristigen Durchschnitt zurückgekehrt. Die Zentralbank hat die Zinsen in den vergangenen anderthalb Jahren um 3,75% angehoben und dürfte sie nicht weiter erhöhen. Das Wachstum dürfte auch im kommenden Jahr bei über 7% liegen. Die Inflationsrate ist mit 9% noch hoch, dürfte aber in den kommenden Quartalen sinken, wenn sich das Wachstum verlangsamt. Wir halten den Markt im derzeitigen weltweiten Umfeld vor allem deshalb für attraktiv, weil Indiens Wachstum unseres Erachtens vor allem von endogenen Faktoren getragen wird.
Russland ist vor allem aufgrund des Bewertungsniveaus attraktiv; der Markt ist einem 12-Monats-KGV von lediglich 5x mit Abstand der billigste Schwellenländermarkt. Auch die hohe Wahrscheinlichkeit einer Wachstumsbeschleunigung in den kommenden Quartalen ist von großer Bedeutung. Dies steht in klarem Gegensatz zu den übrigen Schwellenländern, wo sich das Wachstum eindeutig verlangsamt. Die Regierung, die in der ersten Jahreshälfte eine restriktive Fiskalpolitik verfolgte, hat begonnen, die Konjunktur vor den Parlaments- bzw. Präsidentschaftswahlen im Dezember bzw. März anzukurbeln. Gleichzeitig bleibt der Ölpreis trotz der weltweiten Konjunkturverlangsamung robust. Wir haben unser Engagement in Russland Anfang Oktober erhöht, weil der Markt zu den Hauptprofiteuren eines lockereren Kurses in China gehören dürfte.
Fazit
Schwellenländer-Aktien haben während der jüngsten Probleme im Euroraum gut abgeschnitten. Grund dafür ist der günstigere Ausblick für China. Die ersten Schritte hin zu einer politischen Lockerung und die sinkende Inflationsrate deuten darauf hin, dass aus China auch in den kommenden Monaten gute Nachrichten für Schwellenländer-Aktien kommen könnten. Die Lage im Euroraum stellt weiterhin das größte Risiko für die Finanzmärkte allgemein und sicherlich auch für Schwellenländer-Aktien dar. Der Welthandel und die Kapitalströme in die Schwellenländer sind anfällig. Weiterhin sollten Länder gemieden werden, die besonders stark vom Exportwachstum und von ausländischen Portfoliozuflüssen abhängig sind. Maarten-Jan Bakkum GEM equity strategist
Orginal-Meldung: http://www.presseportal.de/pm/66684/2150586/emerging-equity-markets-monthly-november-2011/api