Köln, 8. August 2012 – Zwei Monate nach dem Anpfiff der Fußball-Europameisterschaft am 8. Juni in Polen und der Ukraine zieht der Kreditversicherer Atradius eine ernüchternde Bilanz: Die EURO 2012 hat eine erhebliche Insolvenzwelle nach sich gezogen. Demnach sind in diesem Jahr bereits rund 100 polnische Bauunternehmen zahlungsunfähig geworden, darunter auch der größte Player der Branche. „Die Aussicht auf lukrative Großaufträge verleitet die Unternehmen dazu, zu günstig anzubieten. Gleichzeitig gehen die Betriebe durch hohe Investitionen weit in Vorleistung. Zahlt der Auftraggeber dann später als erwartet oder gar nicht, kommen besonders Mittelständler schnell ins Straucheln“, erklärt Michael Karrenberg, Leiter Risikomanagement Deutschland, Mittel- und Osteuropa bei Atradius.
Das Dilemma trifft die polnische Baubranche in einer ohnehin schon tiefen strukturellen Krise. Die durchschnittliche Umsatzrentabilität der in der Infrastruktur tätigen Unternehmen lag bereits im März dieses Jahres mit minus 6,2 Prozent weit im negativen Bereich, nach 1,6 Prozent im Gesamtjahr 2011 und 3 Prozent in 2010. Im traditionell schwachen ersten Quartal 2012 befanden sich mehr als 50 Prozent der Bauunternehmen in der Verlustzone. Das sind deutlich mehr als im gleichen Zeitraum der Vorjahre.
Die Insolvenzwelle macht zudem nicht an den polnischen Grenzen halt. Auch Subunternehmer aus Irland oder China mussten im Umfeld der EURO 2012 Insolvenz anmelden. Dass gerade mittelständische Bauunternehmen die Zahlungsflüsse bei Großprojekten falsch kalkulieren und deswegen in Schwierigkeiten geraten, ist dem Kreditversicherer nicht neu. „Das gleiche Phänomen haben wir zum Beispiel beim Bau der ICE-Trasse zwischen Frankfurt und Köln beobachtet“, erinnert sich Karrenberg. „Damals kamen mittelständisch geprägte Konsortien in Schwierigkeiten, weil sie länger als geplant auf die Begleichung ihrer Rechnungen warten mussten.“
Tourismus, Einzelhandel und werbende Industrie auf der Gewinnerseite
Wie in jedem Großprojekt gab es auch bei der EURO 2012 Branchen, die von der gestiegenen Nachfrage profitierten, darunter der Tourismus und speziell die Hotellerie, der Einzelhandel sowie die werbende Industrie. Welche Auswirkungen die in dieser Woche zu Ende gehenden Olympischen Spiele in London auf heimische und internationale Wirtschaftszweige haben werden, bleibt abzuwarten.
Weitere Informationen zur Zahlungsmoral von Unternehmen in Ost- und Westeuropa enthält das aktuelle „Atradius Zahlungsmoralbarometer“, das auf www.atradius.de kostenlos zum Download bereitsteht.