Konstanz – Ab 2016 werden pharmazeutische Unternehmen alle Zuwendungen an Ärzte, Krankenhäuser und gesundheitspolitische Institutionen veröffentlichen. Damit greifen sie dem geplanten „Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen“ vor. Wie finden die Ärzte das? Das größte Ärztenetzwerk im deutschsprachigen Raum, coliquio, hat seine Community zur Abstimmung über die Pläne aufgerufen. Ergebnis: Die Gegner sind bisher in der Überzahl.
Die neue Transparenz verlangt die namentliche Nennung jedes Arztes sowie die Höhe der erhaltenen Zuwendung. So will es der Transparenzkodex des Vereins Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e. V. (FSA), dem die Mehrheit der Hersteller verschreibungspflichtiger Arzneimittel in Deutschland angehört. Von der pharmazeutischen Industrie als Befreiungsschlag gegen das allgegenwärtige Misstrauen und den Verdacht der Korruption gedacht, stößt die Idee innerhalb der Ärzteschaft nur teilweise auf Zustimmung.
Keine Mehrheit für die Offenlegung
Um dem deutschen Datenschutzgesetz Genüge zu tun, muss der Arzt der namentlichen Nennung schriftlich ausdrücklich zugestimmt haben. Auf die Frage „Offenlegung von Pharma-Zuwendungen: Machen Sie mit?“ antworteten bei der coliquio-Befragung 55 Prozent der insgesamt 31 Teilnehmer mit Nein, 45 Prozent mit Ja.
Aus der regen Diskussion zum Antikorruptionsgesetz im Forum hat das coliquio-Team einige typische Statements herausgegriffen und zur Abstimmung gestellt. 275 Ärzte beteiligten sich. Daraus ergibt sich ein ambivalentes Stimmungsbild.
Dialog mit Herstellern ist wichtig, Transparenz auch Pharmareferenten seien heute nicht mehr reine Werbebotschafter, schreibt ein Arzt im Forum. „Wenn kein Vertreter mehr in die Praxis kommt, soll mich dann die Krankenkasse über neue Therapieoptionen unterrichten, oder soll ich nachts im Internet nach neuen Medikamenten suchen, die der Patientenversorgung dienen? Ein gewisser Austausch muss einfach im Sinne der Patienten möglich sein sonst stockt die Umsetzung von der Forschung in die Praxis erheblich.“
Dass Transparenz im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der Industrie – etwa im Rahmen von Studien – grundsätzlich wichtig ist, betonen viele Ärzte. Der Plan, Pharmazuwendungen offen zu legen, kommt für viele jedoch einem Generalverdacht der Korruption gleich, den sie entschieden von sich weisen.
Dagegen sehen die Befürworter der Gesetzesinitiative eher Vorteile für die Ärzte: „Beim Antikorruptionsgesetz geht es um eine Sanierung der bestehenden korrupten Selbstverwaltung durch ein gemeinsames Tun der Ministerien für Gesundheit, Justiz und Finanzen. Und diejenigen, die davon profitieren werden, sind Ärzte mit ihrer Einstellung.“ schreibt ein Allgemeinmediziner.
Dem Wohl der Patienten verpflichtet
Immer wieder betonen die Ärzte, ausschließlich dem Wohl ihrer Patienten verpflichtet zu sein. Dass man sich von der Pharmaindustrie nicht automatisch beeinflussen lässt, ist für die meisten eine Selbstverständlichkeit.
Nur sehr wenige der teilnehmenden Ärzte lehnen pharmagesponserte Veranstaltungen kategorisch ab. Viele merken an, dass die meisten Fortbildungen ohne Pharmasponsoring gar nicht möglich wären. Ein Arzt schreibt: „Zahlreiche Veranstaltungen, wo man auch mal in eine persönlicher Diskussion mit Kollegen treten kann, sind aber pharmaindustrieunterstützt. Wenn zu solchen Veranstaltungen mit Themenvielfalt mehrere Firmen beitragen, sehe ich keine Interessenskonflikte. Ohne Pharmasponsoring befürchte ich einen Niedergang der größeren Kongresse als wissenschaftliche und Weiterbildungsveranstaltung“.
Ärzte, die Vorträge auf Veranstaltungen halten, akzeptieren die Veröffentlichung ihres Namens eher. Die in die Vorbereitung investierte Zeit und Arbeit rechtfertige schließlich ein entsprechendes Honorar. Allerdings dürfe sich der Inhalt eines Vortrags nicht nach dem Sponsor richten. Entsprechend schreibt ein Arzt: „Ich bestehe darauf, in meiner Gestaltung frei zu sein und eben keinen ‚Werbevortrag‘ zu halten. Das bin ich mir und der Sache (der Patientenversorgung!) schuldig“.
Quelle: ots