Hannover – Funktionale Oberflächen von Bauteilen und Gebrauchsgegenständen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Durch gezielte Oberflächenveränderungen und Anpassungen der Schichten an das Grundmaterial werden die Gebrauchseigenschaften wie Verschleiß- und Reibungsverhalten des gesamten Bauteils entscheidend beeinflusst. Diese Eigenschaften erhöhen wiederum die Effizienz der Produkte in deren Nutzungsphase. Zusätzliche Möglichkeiten werden durch den Einsatz von Mikro- und Nanostrukturierung geschaffen. Funktionale Oberflächen spielen deshalb auch auf der SurfaceTechnology im Rahmen der HANNOVER MESSE 2015 eine wichtige Rolle. Im kommenden Jahr wird es dort erstmals den Gemeinschaftsstand „Micro, Nano & Materials“ als zentrale Anlaufstelle für Anwender der Mikro- und Nanotechnologie geben.
Auch aus Kostengründen finden Werkstoffentwicklungen zurzeit verstärkt durch Nutzung der Oberflächentechnologien statt. Viele neue Verfahren sind auch durch Auflagen zum Schutz der Umwelt etabliert worden. So hat beispielsweise die AHC Oberflächentechnik GmbH ein selektives Hartchrom-Verfahren entwickelt, mit dem Oberflächenbereiche gezielt hartverchromt werden können. Zu beschichtende Bauteile werden in Werkzeuge eingelegt, die die Beschichtungselektrolyten nur an die dafür bestimmten Stellen gelangen lassen. Alle anderen Bauteilbereiche bleiben unbeschichtet. „Das selektive Beschichtungsverfahren mit der Bezeichnung SELGA-COAT® CHROM ist wesentlich effizienter und umweltfreundlicher als herkömmliche Hartchromverfahren“, erklärt Jürgen Diesing, Leiter Marketing bei AHC Oberflächentechnik.
Die Beschichtung erfolgt in einer gekapselten Anlage, weder Bediener noch Umwelt kommen mit sechswertigem Chrom in Kontakt. Zudem wird die Anlage abwasserfrei und mit fast vollständiger Rückführung der eingesetzten Chemikalien betrieben. Deshalb muss nur ein Minimum von ihnen entsorgt werden. Gemäß EU-Chemikalienverordnung REACH darf sechswertiges Chrom in den meisten Fällen ab 2017 nicht mehr eingesetzt werden, SELGA-COAT® CHROM bietet hier eine Ausnahme.
Ein innovatives Beschichtungsverfahren ganz ohne den Einsatz von Chemie hat AHC Oberflächentechnik zur Oxidation von Aluminium-Oberflächen entwickelt, bei dem die selektive Oxidation mittels Laser erfolgt (LASOX-COAT®). In einer Sauerstoffatmosphäre wird der Laserstrahl auf die Oberfläche eines Werkstücks gerichtet, das bearbeitet werden soll. Dadurch beginnen Legierungspartikel zu schmelzen und verdampfen. Das Sauerstoffplasma, das durch den Einfluss des Lasers entsteht und aus ionisierten Atomen besteht, sowie ein Teil des geschmolzenen Aluminiums reagieren zu Aluminiumoxid (Korund), das die behandelte Fläche in einer Schicht von sechs bis zehn Mikrometern bedeckt. Die Umschmelzzone beträgt etwa 100 Mikrometer. „Der große Vorteil von LASOX-COAT® gegenüber galvanischen Lösungen besteht im Verzicht auf Prozesschemikalien wie Elektrolytsäuren“, sagt Diesing.
Die Münchener POLIGRAT GmbH hat ein besonders umweltfreundliches und wirtschaftliches Verfahren mit der Bezeichnung POLINOX Protect als Alternative zum Beizen von Edelstahl entwickelt, das überdies eine deutliche Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit bewirkt. Das Beizen von Edelstahl dient als abschließende Reinigung der Oberflächen von Zunder, Eisenabrieb und Anlauffarben, um die Ausbildung einer intakten Passivschicht als Korrosionsschutz zu ermöglichen. Dazu wird unter Verwendung von Fluss-, Salpeter- oder Schwefelsäure die oberste Werkstoffschicht einschließlich der beschädigten Passivschicht chemisch abgetragen, damit sich auf der gereinigten Metalloberfläche eine neue intakte Passivschicht ausbilden kann. Wegen der verbundenen Gesundheits- und Umweltrisiken sowie der frei- gesetzten Schwermetalle unterliegt das Beizen strengen Auflagen hinsichtlich Gesundheitsschutz sowie Abwasser- und Abluftbehandlung. POLINOX Protect wirkt nach einem völlig neuen Prinzip: Im Gegensatz zum Beizen werden bestehende Passivschichten nicht mit großem Aufwand abgetragen, sondern in ihrer Zusammensetzung und Struktur derart verändert, dass im Ergebnis die Korrosionsbeständigkeit der so behandelten Edelstahloberflächen im Vergleich zu gebeizten Oberflächen deutlich besser ist.
POLINOX Protect ist eine wässrige Lösung aus einer speziellen Kombination biologisch abbaubarer ungiftiger Wirkstoffe, deren Anwendung keine störenden Gerüche oder giftigen Dämpfe entwickelt. „Die Behandlung mit POLINOX Protect verbessert die Beständigkeit von Edelstahl gegen alle Formen von Korrosion, die bei Temperaturen unter 250 Grad Celsius auftreten“, sagt Siegfried Pießlinger-Schweiger, Geschäftsführer der POLIGRAT GmbH.
Die drei innovativen Verfahren zeigen, welches Spektrum moderne Oberflächenbeschichtung heute abdeckt. Die Unternehmen werden diese Prozesse auf der SurfaceTechnology 2015 vorstellen. Zu den Topthemen in Halle 3 der HANNOVER MESSE gehören Galvanotechnik, industrielle Lackiertechnik, Plasma-Oberflächenbehandlung sowie Mikromaterialbearbeitung.
Quelle: ots