Frankfurt – Bremst Schwarz-Grün den Luftverkehrspunkt Frankfurt aus? Die Kernfrage, die Moderator Steffen Ball den Teilnehmern der Podiumsdiskussion des Travel Industry Club (TIC) im Sheraton Frankfurt Airport Hotel & Conference Center stellte, war provokativ formuliert. Dies jedoch aus gutem Grund: Der Ausbau des Frankfurter Flughafens ist im Rhein-Main-Gebiet ein ewiger Zankapfel zwischen Betreibern, Nutzern und den lärmgeplagten Anwohnern. Die neu gewählte, schwarz-grüne Regierung ist erst knapp 100 Tage im Amt, und vor allem die Grünen im Koalitionsbündnis gelten für viele Hessen noch als unberechenbare Größe, was ihre Haltung zu den weiteren Expansionsplänen der Flughafen-Betreibergesellschaft Fraport angeht: Seit Startbahn-West-Zeiten werden sie allgemein im Lager der Flughafengegner angesiedelt.
So fokussierte sich das Interesse des Auditoriums auch zunächst darauf, wie sich der Grüne in der Runde positionieren würde: Frank Kaufmann, haushaltspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion mit besonderem Schwerpunkt „Flughafen-Problematik“.
Kaufmann verwies erst einmal auf den Koalitionsvertrag, in dem seine Partei grundsätzlich auch den geplanten Bau eines dritten Terminals mitträgt. Ohnehin ist das Planfeststellungsverfahren dafür bereits abgeschlossen, das Baurecht soll in etwa einem Jahr geschaffen sein. 2021 könnte das neue Terminal in Betrieb gehen – theoretisch. Denn die Regierungsparteien fordern die Fraport auf, noch einmal eingehend zu prüfen, ob diese neuerliche Expansion wirklich notwendig ist.
Dr. Stefan Schulte: Fraport ist sich seiner Verantwortung bewusst Ein paar Giftpfeile gegen die Fraport hatte Kaufmann aber auch im Köcher: Bereits die dritte Landebahn, die 2011 in Betrieb genommen wurde, sei nicht notwendig gewesen, denn die Flugbewegungen seien seit 2007 nicht etwa gestiegen, sondern um etwa 20.000 gefallen. Obendrein fehle es dem Unternehmen an „Corporate Social Responsibility“, an gesellschaftspolitischer Verantwortung.
Dr. Stefan Schulte, Vorstandsvorsitzender der Fraport, wies diese Vorwürfe, entschieden zurück. Auch wenn die Zahl der Flugbewegungen rückläufig sei, das Passagieraufkommen in Frankfurt steige stetig, die dritte Landebahn sei daher ebenso notwendig gewesen, wie es aktuell das dritte Terminal sei. Bereits die vollzogene Erweiterung habe nachweislich enorme Qualitätssteigerungen bewirkt. Weit über 90 Prozent aller Flüge starteten und landeten in Frankfurt pünktlich, davon habe man 2007 nicht einmal zu träumen gewagt. Auch im Wettbewerbsvergleich sei Frankfurt Weltklasse – und das, obwohl im Rhein-Main-Gebiet über 70 Prozent des internationalen Luftverkehrs über Deutschland abgewickelt würden. München, der Zweitplatzierte in diesem Ranking, komme gerade mal auf 18 Prozent.
Michael Hoppe: Aktiver und passiver Lärmschutz wird permanent verbessert Michael Hoppe, der als Generalsekretär des „Board of Airline Representatives in Germany (BARIG)“ 101 Fluggesellschaften repräsentiert, ergänzte, dass eine weitere Expansion nicht unbedingt mehr Fluglärm bedeute. Denn parallel würden von Betreiber und Fluggesellschaften intensive Anstrengungen in Sachen aktiver wie passiver Lärmschutz unternommen. So würden beispielsweise permanent die Anflugverfahren optimiert und technische Innovationen an den Maschinen umgesetzt. Von mangelndem Verantwortungsbewusstsein könne daher keine Rede sein.
Dies sollte viel eher einmal bei denen hinterfragt werden, die für die Gemeinde- und Siedlungspolitik im Umland verantwortlich zeichneten, regte Ludger Stüve an, Verbandsdirektor des Regionalverbands Frankfurt Rhein Main. Immer wieder seien in den vergangenen Jahren Wohngebiete ausgewiesen worden, wo zuvor Überflüge problemlos möglich gewesen seien. Nach anschließenden Protesten der lärmgeplagten Neubürger sei der schwarze Peter stets der Fraport zugeschoben worden.
Überhaupt sei es ärgerlich, dass sich rund 80 Prozent der Medienberichterstattung über den Flughafen mit Fluglärm und den Protesten dagegen befasse, seine Bedeutung als Wirtschaftsfaktor aber kaum gewürdigt werde: Er schaffe 78.000 Arbeitsplätze direkt und etwa 100.000 weitere im Zuliefererbereich – etliche große Unternehmen und Arbeitgeber hätten sich im Umland gar nicht angesiedelt, gäbe es diesen zentralen Verkehrsknotenpunkt nicht.
Dr. Walter Arnold: Überragende wirtschaftliche Bedeutung wird angemessen gewürdigt
Dr. Walter Arnold, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und wirtschafts- sowie verkehrspolitischer Sprecher der hessischen CDU, versicherte, dass die gegenwärtige Landesregierung sich dieser Tatsachen bewusst sei und die weiteren Fraport-Pläne daher grundsätzlich unterstütze. Auch sei er sehr froh, dass das Unternehmen die Erweiterungen aus eigener Kraft, also ohne Landeszuschüsse, realisieren wolle.
Am sechsstündigen Nachtflugverbot soll im Interesse der Anwohner aber festgehalten werden, so Arnold. Er begrüßte auch die Absichtserklärung von Fraport und Fluggesellschaften, auf freiwilliger Basis noch eine siebte flugfreie Stunde einzurichten. Laut Dr. Stefan Schulte sei dies durchaus realistisch, allerdings müssten diese sechzig Minuten von den Beteiligten flexibel gehandhabt werden können.
Unterm Strich vermittelte die Runde dem Auditorium den Eindruck, dass Hessen in der Flughafenfrage „auf einem guten Weg“ sei, wie es Reza Ahmari formulierte, der Pressesprecher der deutschen Bundespolizei, der die TIC-Veranstaltung mit großem Interesse verfolgt hatte. Die Grünen hätten sich als kritischer, aber konstruktiver Partner dargestellt, resümierte Martin H. Pundt, CEO der Münchner „Holiday Extras“. „Ich nehme viele gute Argumente mit nach Hause, um künftig mit Flughafengegnern diskutieren zu können“, meinte der Mainzer Betriebswirtschaftsstudent Nikolas Hatz, der sich seine Ausbildung als Teilzeit-Flugbegleiter finanziert.
Quelle: ots