Berlin – Noch nie wurde weltweit so viel Dünger verwendet wie heute. Eine gemeinsame Studie der Heinrich-Böll-Stiftung und der Naturschutzorganisation WWF warnt: Die falsche Nutzung von Mineraldüngern in den Tropen und Subtropen hat fatale Auswirkungen auf die Qualität der Böden und gefährdet damit mittel- und langfristig die Ernährungssicherheit ganzer Regionen.
„Die Industrienationen dürfen ihre eigene Dünger-Orgie nicht nach Afrika exportieren. Die immensen Investitionen in mineralische Düngemittel, wie sie derzeit forciert werden, sind kontraproduktiv und führen allenfalls zu sehr kurzfristigen Ertragssteigerungen“, sagt Birgit Wilhelm, Referentin für nachhaltige Landwirtschaft beim WWF. Der Boom der Düngemittel nütze vor allem den großen Agrarkonzernen, die in Afrika umfassende Lobbyarbeit leisten.
So führe der vermehrte Einsatz gerade von Stickstoffdüngern zu Bodenversauerung, die das Pflanzenwachstum hemme. Gleichzeitig wird verstärkt Humus abgebaut, der für die Verfügbarkeit von Nährstoffen und Wasser besonders wichtig ist. Fehlt der Humus, werden die Nährstoffe mit jedem Regen ausgewaschen. „Der synthetische Stickstoff zerstört die Bodenfruchtbarkeit, eine zentrale Grundlage der Landwirtschaft und gefährdet ganze Ökosysteme“, warnt Wilhelm.
„Es ist daher eine grundlegend falsche Entscheidung, wenn einzelne afrikanische Regierungen bis zu 70 Prozent ihres Agrarbudgets für die Subventionierung von Dünger ausgeben, statt in ein nachhaltiges Bodenmanagement zu investieren“, so Christine Chemnitz, Referentin für internationale Agrarpolitik in der Heinrich-Böll-Stiftung. Nur wenn der Humus in den Böden erhalten bleibt, sind sie langfristig ertragreich und können einen Beitrag im Kampf gegen Hunger und Armut leisten.
Dagegen bedeute der vermehrte Einsatz von synthetischen Düngermitteln für Kleinbauern ein ernstes Risiko, so das Ergebnis der Studie. „Kleinbauern zahlen heute für eine Einheit Dünger doppelt so viele Einheiten Nahrung als vor zehn Jahren, obwohl die einseitige Düngung kaum zu Ertragssteigerungen führt. Die Konsequenz: Kleinbäuerliche Produzenten landen häufig in der Schuldenfalle“, so Chemnitz.
„Die Herausforderung besteht darin, Dünger so zu nutzen, dass sie langfristig zu einem Aufbau der Bodenfruchtbarkeit führen. Auf synthetischen Stickstoff kann weitestgehend verzichtet und durch Alternativen ersetzt werden“, so Wilhelm. Andere Nährstoffe müssten in den Kontext einer umfassenden Bodenfruchtbarkeitsstrategie integriert werden. Zentral dafür seien Techniken, die die Erhaltung und den Aufbau von Bodenhumus gewährleisten wie etwa Kompostierungsverfahren, tierische Dünger, Agroforstwirtschaft, Gründüngung und Intensivbrache.