Pläne zur Frauenförderung: Jeder zehnte Vorstand eine Frau, mehr Gehaltstransparenz
Köln – Jeder dritte Aufsichtsrat wird weiblich, eine von zehn Vorstandspositionen soll mit einer Frau besetzt sein – das haben sich Unternehmen hierzulande vorgenommen. Zum Stichtag 30. Juni müssen die von den gesetzlichen Vorgaben zur Frauenförderungen betroffenen Firmen erstmals darüber berichten, ob sie die selbst gesetzten Ziele für den Frauenanteil in den oberen Führungsetagen erreicht haben.
Die Personal- und Managementberatung Kienbaum hat knapp 100 Unternehmen dazu befragt, welche Ziele sie aktuell anpeilen. Auf der ersten Management-Ebene unterhalb des Vorstands verdoppelt sich die Zielquote im Vergleich zum Vorstand: Hier streben die Unternehmen einen Frauenanteil von 18 Prozent an. Auf der zweiten Management-Ebene erhöht sich der Zielwert noch einmal auf 21 Prozent im Schnitt. Im Vergleich zur vorherigen Erhebung, die Kienbaum im November und Dezember 2015 zu diesem Thema durchgeführt hat, haben sich die Zielvorgaben so gut wie nicht verändert.
Veränderungen benötigen Maßnahmen-Mix im Personalmanagement
„Die Unternehmen haben sich auf den Weg gemacht, mehr Frauen in die Führungsetagen zu bringen. Die geplanten Veränderungen sind angesichts des relativ kurzen Zeitraums seit Inkrafttreten des Gesetzes moderat. Im zweiten Berichtszeitraum, der spätestens am 1. Juli beginnt und fünf Jahre umfasst, dürften die Erwartungen steigen. Darauf sollten sich die Unternehmen vorbereiten“, sagt Anne von Fallois, Director Political Relations bei Kienbaum. Sie ergänzt: „Nachhaltige Veränderungen erfordern Zeit – und sie brauchen einen Mix von Maßnahmen: angefangen beim Recruiting über das strategische Personalmanagement bis hin zu einer Vielfalt fördernden Unternehmenskultur.“
Vorbereiten sollten sich die Unternehmen auch auf eine weitere Neuerung: Das geplante Gesetz zur Entgelttransparenz, das sich aktuell in der parlamentarischen Beratung befindet. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung gegen die Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern, dem sogenannten „Gender Pay Gap“ vorgehen. Ziel ist es dabei, mehr Transparenz für Arbeitnehmer zu schaffen und Arbeitgeber dazu zu bringen, sich mit den bestehenden Entgeltstrukturen und Bewertungsverfahren zu befassen.
Arbeitgeber sollten sich auf Auskunftsanspruch vorbereiten
Zentraler Bestandteil: Jeder Mitarbeiter soll laut Gesetzentwurf einen individuellen Auskunftsanspruch erhalten. Das bedeutet, dass Betriebe mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten ihren Beschäftigten auf Anfrage die Kriterien und das Verfahren zur Festlegung ihres Entgelts und das Durchschnittsgehalt von Mitarbeitern des jeweils anderen Geschlechts offenlegen müssen, die eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit im Unternehmen ausüben (Vergleichsentgelt). Dabei können die Beschäftigten zunächst vorschlagen, welche Funktionen sie für vergleichbar halten. Der Arbeitgeber hat dann drei Monate Zeit um dem Auskunftsanspruch nachzukommen.
Arbeitgeber können eigene Vergleichsfunktionen benennen, wenn sie mit der von Arbeitnehmern getroffenen Auswahl nicht einverstanden ist. Ihre Auswahl müssen sie aber nachvollziehbar begründen. Dabei müssen sie darlegen, inwiefern die ihrerseits vorgeschlagenen Vergleichsfunktionen hinsichtlich der Art der Arbeit, der Ausbildungsanforderungen und der Arbeitsbedingungen mit der Funktion der anfragenden Mitarbeiterin vergleichbar sind.
Für Arbeitgeber bedeutet das Gesetz, dass sie zunächst eine geschlechtsneutrale Funktions- oder Stellenbewertung vornehmen. Falls sie bereits ein Stellenbewertungssystem etabliert haben, müssen sie es dahingehend überprüfen, ob es den Anforderungen an eine geschlechtsneutrale Bewertung gerecht wird.
Entgelttransparenzgesetz bedeutet voraussichtlich erheblichen Aufwand für Unternehmen
Neben dem individuellen Auskunftsanspruch umfasst das Gesetz noch weitere Stellhebel, mit denen Transparenz über Entgeltstrukturen hergestellt werden soll. So werden private Arbeitgeber mit mehr als 500 Mitarbeitern dazu angehalten, statistische Prüfverfahren anzuwenden, um die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern zu beurteilen.
„Wir gehen davon aus, dass das Gesetz zum Teil erheblichen Aufwand für die Unternehmen bedeuten wird. Unternehmen die von dem Gesetz betroffen sind, sollten sich schon jetzt fragen, ob sie auf der Basis eines etablierten, diskriminierungsfreien Bewertungs- und Entgeltsystems auskunftsfähig sind“, sagt Sebastian Pacher, Vergütungsexperte bei Kienbaum.
Die Entgeltlücke entsteht meist schon bei der Berufswahl
Fraglich bleibt hingegen, inwiefern sich das Gesetz tatsächlich dazu eignet, das Gender Pay Gap in Deutschland zu verringern. „Es gibt insgesamt wenige belastbare Hinweise darauf, dass Frauen und Männer unterschiedlich vergütet werden, wenn sie gleiche Tätigkeiten bei gleicher Arbeitszeit ausüben“, sagt Pacher. „Die häufig zitierte Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern von 21 Prozent ist zu einem großen Teil auf eine unterschiedliche Berufswahl von Frauen und Männern zu Beginn der Karriere zurückzuführen. Zudem wird die Entgeltlücke auch dadurch getrieben, dass in Deutschland fast ausschließlich Frauen in Teilzeit beschäftigt sind und zugunsten der Familie beruflich zurücktreten“, so Pacher. „Ein Blick in unsere Vergütungsdaten zeigt beispielsweise, dass die Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern bei vergleichbaren Positionen in Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern in etwa bei sieben Prozent liegt. In Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern ist die Entgeltlücke schwer zu messen, da die Anzahl wirklich vergleichbarer Funktionen hier in der Regel sehr klein ist.“
Quelle: Kienbaum Consultants International