Gravierende Sicherheitslücke: Viele Luftfrachtmitarbeiter nicht staatlich überprüft
Mainz – Arbeiter von Luftfrachtunternehmen sind nach Recherchen von „Report Mainz“ häufig nicht staatlich auf ihre Zuverlässigkeit überprüft. Trotzdem haben sie direkten Zugang zu Ware, die ohne weitere Prüfung in Passagierflugzeuge verladen wird. Nach Ansicht des Präsidenten der Bundespolizeigewerkschaft Ernst Walter ist dies ein „unhaltbarer Zustand“.
Wie leicht einfache Arbeiter etwas in die Fracht schmuggeln könnten, berichtet ein Insider, der jahrelang im Frachtbereich gearbeitet hat. Im Interview mit „Report Mainz“ sagt er: „Wenn man da arbeitet, kann man ohne Probleme da auch eine Bombe reinpacken, das ist total einfach. Wenn Sie eine Panzerfaust in der Fracht haben wollen, dann bringe ich Ihnen auch eine Panzerfaust da rein und auch in den Flieger.“
Hintergrund der Sicherheitslücke ist das System der „sicheren Lieferkette“. Demnach muss eine Luftfracht dann nicht mehr am Flughafen kontrolliert werden, wenn sie von einem sogenannten „bekannten Versender“ kommt und von einem zertifizierten Transportunternehmen, sogenannten „reglementierten Beauftragten“, angeliefert wird. Alle Unternehmen der „sicheren Lieferkette“ müssen die Fracht zu jedem Zeitpunkt vor unbefugtem Zugriff schützen.
Doch die Überprüfung der Mitarbeiter innerhalb dieser Lieferkette ist offenbar häufig unzureichend. Mitarbeiter, die Zugang zur Fracht haben, werden häufig nicht von staatlichen Stellen überprüft. Die EU-Verordnung Nr. 185/2010 zu Maßnahmen der Luftsicherheit sieht die Möglichkeit vor, dass die Unternehmen sich lediglich auf die Selbstauskunft der Beschäftigten verlassen. Der Arbeitgeber bestätigt die Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers, die Richtigkeit der Angaben wird vom Staat dann nicht mehr überprüft. Demgegenüber ist für Beschäftigte im Sicherheitsbereich von Flughäfen eine staatliche Zuverlässigkeitsüberprüfung (§7 Luftsicherheitsgesetz) zwingend vorgeschrieben. Diese umfasst unter anderem Sicherheitsabfragen bei Polizeibehörden, Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst.
Auch Unternehmen aus der sicheren Lieferkette können diese staatliche Zuverlässigkeitsüberprüfung durchführen. Doch das ist offenbar die Ausnahme. Der Luftsicherheitsexperte Christian Buchenthal sagt im Interview mit „Report Mainz“: „Der überwiegende Teil macht diese einfache Kontrolle, diese beschäftigungsbezogene Überprüfung, und ein niedriger Teil macht die staatliche Zuverlässigkeitsüberprüfung.“ Er kennt zahlreiche Firmen in der Branche und führt gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsschulungen für Frachtmitarbeiter durch. Dass darunter sehr viele nicht genauer überprüft sind, hält er für ein Risiko: „Die Gefahr ist, dass ich jemanden schule, der terroristische Absichten hat und der jetzt Hintergrundinformationen bekommt, die nicht in seine Hände gehören.“
Der Präsident der Bundespolizeigewerkschaft Ernst Walter ist alarmiert durch die Recherchen von „Report Mainz“: „Als Polizeigewerkschaft halten wir das für einen absolut unhaltbaren Zustand.“ Man könne nicht Menschen ohne Zuverlässigkeitsüberprüfung mit solchen sensiblen Gütern hantieren lassen. „Das schlägt dem Fass den Boden aus!“ Er selbst war mehr als zwanzig Jahre bei der Bundespolizei am Flughafen Düsseldorf. Er fordert, das Verkehrsministerium müsse strengere nationale Vorschriften erlassen: „Wir haben hier erhebliche Bedenken, was die Terrorgefahr angeht, dass man sich hier ein neues Ziel aussucht. Deshalb sollte man das auf gar keinen Fall so weiter betreiben, wie man es momentan betreibt.“
Auf Anfrage von „Report Mainz“ kündigt das Innenministerium eine Novelle des Luftsicherheitsgesetzes an. Man verfolge das Ziel, dass künftig auch Mitarbeiter von „bekannten Versendern“ und „reglementierten Beauftragten“ staatlich überprüft würden. Die Novelle befinde sich noch in der Ressortabstimmung.
Mängel in der „sicheren Lieferkette“ stellte vor einem Jahr auch das Luftfahrtbundesamt fest. Das geht aus den Antworten des Bundesverkehrsministeriums auf eine kleine Anfrage der Fraktion „Die Linke“ hervor. Das Luftfahrtbundesamt überprüft regelmäßig die zertifizierten Unternehmen. Im Jahr 2014 hat das Amt 2009 Kontrollen von reglementierten Beauftragten durchgeführt, 40 Prozent davon wiesen Mängel auf. Bei den bekannten Versendern waren es 1099 Kontrollen, hiervon wurden bei 38 Prozent Mängel gefunden.
Quelle: ots