Frankfurt am Main (ots) – Die Finanzmärkte in Europa sind weiterhin äußerst volatil, und die Stimmungsumschwünge fallen ungewöhnlich stark aus. Aktiven Anlegern – einschließlich Hedgefonds – fällt es schwer, diese vor allem auf politische Entscheidungen und nicht auf Fundamentaldaten der Unternehmen zurückzuführenden Stimmungsschwankungen richtig einzuschätzen. Im Zusammenhang mit der derzeitigen Krise überrascht vor allem die Tatsache, dass die Anleger an den Rentenmärkten mehr Eurostress einzupreisen scheinen als Anleger an den Aktienmärkten. Ist dies gerechtfertigt?
Der Oktober war ein äußerst guter Monat für die europäischen Aktienmärkte, die durch Hoffnungen auf eine Lösung der Eurokrise sowie besser als erwartete Daten und Unternehmensgewinne in den USA beflügelt wurden. Gleichzeitig verlief die Berichtssaison in Europa jedoch enttäuschend, und die Renditen für Anleihen der südlichen Euroländer blieben hoch, was darauf hindeutet, dass die Anleger an den Rentenmärkten weiterhin relativ vorsichtig waren.
Dieses uneinheitliche Verhalten hat zu einigen merkwürdigen Anomalien geführt. Die Renditen für Staatsanleihen stiegen in Südeuropa auf (über) 6% an, wohingegen sie in Nordeuropa auf 2% zurückgingen. Dagegen schnitten die Aktienmärkte in den südlichen Ländern in diesem Jahr nicht schlechter ab als in den nördlichen; die einzige Ausnahme ist Griechenland, wo die Aktienkurse einbrachen. Diese mangelnde Differenzierung seitens der Aktienanleger ergibt bei wirklich internationalen Unternehmen durchaus Sinn, weil dort das Land, in dem das Unternehmen seinen Hauptsitz hat, von geringerer Bedeutung ist. Für auf die Binnenwirtschaft ausgerichtete Unternehmen trifft dies jedoch sehr viel weniger zu.
Ein Beispiel: Ein deutsches oder niederländisches Telekommunikationsunternehmen bietet den Anlegern derzeit eine Dividendenrendite, die vier Mal so hoch ist wie die Rendite von deutschen oder niederländischen Anleihen. Die Dividendenrendite eines italienischen oder spanischen Telekommunikationsunternehmens liegt dagegen nur leicht über der Rendite von Staatsanleihen dieser Länder. Dies ist selbst dann bemerkenswert, wenn man in Rechnung stellt, dass die letztgenannten Unternehmen auch in Lateinamerika aktiv sind. Denselben Nord-Süd-Vergleich kann man auch für Versorger und andere auf die Binnenwirtschaft ausgerichtete Unternehmen durchführen und kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. In anderen Worten: In den nördlichen Ländern profitieren die Anleger stärker von den mit Aktien verknüpften, höheren Risiken als in den südlichen Ländern – jedenfalls im Vergleich zu den Renditen der jeweiligen Staatsanleihen.
Außerdem müssen sich die Anleger darüber im Klaren sein, dass das Risiko einer Steuererhöhung, die Unternehmen mit hohen Barbeständen treffen dürfte, angesichts des großen Liquiditätsbedarfs der Regierungen im Süden wahrscheinlich höher ist als im Norden. Schließlich stehen diese Regierungen zunehmend unter Druck, ihre Haushalte ausgleichen zu müssen, und nach zwei gewinnträchtigen Jahren können die Unternehmen allgemein gesprochen besser als Finanzierungsquelle dienen als die Bevölkerung.
Welche Schlüsse können die Anleger daraus ziehen?
Mit Blick auf Europa ist festzustellen, dass der Euroraum nur dann fortbestehen kann, wenn die Renditen von Staatsanleihen in Ländern wie Italien und Spanien auf dem derzeitigen Niveau verharren oder darunter fallen. Diese Länder können schlicht nicht für längere Zeit mit einem sehr viel höheren Renditeniveau umgehen. Wenn man also davon ausgeht, dass der Euroraum eine Zukunft hat, erscheinen Staatsanleihen dieser Länder als attraktive Anlagemöglichkeit – jedenfalls im Vergleich zu den dortigen Aktienmärkten. In den nördlichen Ländern spricht dagegen mehr für Aktien, sofern wir davon ausgehen, dass wir nur mit einer leichten Rezession konfrontiert sind.
Mit Blick auf die Welt insgesamt scheinen Staatsanleihen kein sehr attraktives Risiko-Rendite-Profil zu bieten, selbst wenn wir davon ausgehen, dass die Zinsen noch längere Zeit niedrig bleiben. Die Anleger werden daher weiter nach höheren Renditen in riskanteren Assetklassen suchen. Derzeit halten wir Unternehmensanleihen und Staatsanleihen von Schwellenländern für attraktiver als die globalen Aktienmärkte.
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Orginal-Meldung: http://www.presseportal.de/pm/66684/2142885/europa-anleihen-oder-aktien/api