Lech am Arlberg, Österreich (ots) – Tag zwei beim Mediengipfel in Lech startete mit einer Diskussionsrunde zum Thema Verantwortung und Qualität der Medien in Europa. Dabei wurde unter der Leitung von Astrid Zimermann, Generalsekretärin des Presseclubs Concordia, vor allem auch die Situation in Ungarn erörtert. Im Anschluss daran führte Kurier-Europaressortleiterin Margaretha Kopeinig ein Podiumsgespräch mit dem Schriftsteller Robert Menasse zu dessen jüngst erschienen Buch „Der Europäische Landbote“, in dem er die aktuellen Krise der EU behandelt.
Der Pressebrunch beim Mediengipfel in Lech am Arlberg stand heuer ganz im Zeichen des Journalismus. Die Generalsekretärin des Presseclub Concordia, Astrid Zimmermann, leitete dazu eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Medienverantwortung, Qualität und Transparenz in der EU“. Medienwissenschaftler Matthias Karmasin stellte in diesem Zusammenhang klar, dass die öffentliche Diskussion neu organisiert werden müsse. Denn: „Die Qualität von Öffentlichkeit hängt untrennbar mit der Qualität von Demokratie zusammen.“ In der europäischen Öffentlichkeit habe eine systematische Diskreditierung der res publica stattgefunden, so der Medienwissenschaftler. Dadurch habe sich die Unsitte durchgesetzt, dass Staaten alsUnternehmen angehsehen werden und die Bürger als deren Kunden: „Die Metaphorik des Citoyens wurde durch die Kundenmetaphorik abgelöst.“
Die Medienkrise in Ungarn
Die Grüne EU-Parlamentarierin Eva Lichtenberger fordert für die Medien eine verpflichtende Selbst- und auch Fremdkontrolle: „Gerade im Umweltbereich haben wir keine guten Erfahrungen mit Selbstkontrolle gemacht. Das ist beim unabhängigen Journalismus natürlich ein anderer Fall, da dieser auf einen gewissen Grad der Freiheit angewiesen ist. Selbstregulierung in den Mittelpunkt zu stellen, ist für mich ein gangbarer Weg. Aber es braucht eine Form der Endkontrolle, um für einen möglichen Fall Ungarn zwei Instrumente der Endkontrolle zur Verfügung zu haben.“ Daniel Mayer, bis 2009 Vorstandsmitglied der Jungen Liberalen „Neue Generation“ in Ungarn und selbst im Medienbereich als Producer tätig, zeichnete ein alarmierendes Bild von der Mediensituation in seiner Heimat: „In den letzten zwei Jahren hat sich die Anzahl politischer Nachrichten in den zwei wichtigsten Nachrichtensendungen im Privatfernsehen halbiert.“ Zugleich sei der Werbemarkt eingebrochen, worunter in erster Linie oppositionelle Medien leiden, weil regierungsnahe Medien weiterhin vom Staat unterstützt würden. Mayer sprach von einer Abhängigkeit, die dadurch entsteht und zu freiwilliger Selbstzensur der Medien führt: „In der wirtschaftlichen schwierigen Situation Ungarns sind die Medien abhängig, weil rund 60 Prozent der Werbeausgaben vom Staat kommen.“ Charles Ritterband, NZZ-Korrespondent für Österreich und Ungarn, bestätigte Mayers Einschätzungen der Mediensituation im Nachbarland: „Ich finde es beunruhigend, dass diese Vorgänge mitten in der EU stattfinden.“ Als Korrespondent erlebe er selbst, was diese Veränderungen und die permanenten Versuche der Einflussnahme in der Praxis für die Journalisten bedeuten.
Robert Menasse zur Krise der EU
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion führte die Leiterin des Europaressorts der Tageszeitung Kurier, Margaretha Kopeinig, ein Podiumsgespräch mit dem Schriftsteller Robert Menasse. Thema war dessen neues Buch „Der Europäische Landbote“, in dem er die aktuellen Krise der EU behandelt. Menasse verbrachte für die Recherche zum Buch viel Zeit in Brüssel, um die Funktionsweise und Entscheidungsfindungsprozesse der EU aus nächster Nähe kennenzulernen. Was er gesehen habe, sei keineswegs dazu angetan, sein Vertrauen in die EU zu stärken, erklärte der Autor. Menasse kritisierte vor allem das Demokratiedefizit in der Union, weil schlichtweg die demokratische Legitimation bei vielen Entscheidungen fehle oder nicht erkennbar sei. Zudem warnte er vor dem Wiederaufflammen des Nationalismus in Europa, dessen Erfolg von den Fehlern der Europäischen Integration gespeist werde. Schließlich forderte der Schriftsteller auch ein Umdenken bei den Medien: „Denn über europäische Themen berichten immer noch ausschließlich nationale Medien.“ Dadurch würden die europäischen Inhalte in Hinblick auf den jeweiligen Staat, in dem der Bericht erscheint, verwässert oder adaptiert.
Der 6. Mediengipfel am Arlberg über den Willen zum Wandel
Der Mediengipfel am Arlberg geht in seiner Konzeption in folgende Richtung: Führende europäische Medien diskutieren mit führenden europäischen Politikern und Intellektuellen brennende Fragen der Zeit. DieVeranstaltung wird alljährlich ganz bewusst in einem exklusiven Kreis von ca. 80 geladenen Gästen organisiert und abgehalten. Der Mediengipfel, der von der Kommunikationsagentur pro.media kommunikation 2007 initiiert wurde, wird neben der Lech Zürs Tourismus GmbH vor allem vom international agierenden Industrieunternehmen Swarovski bzw. von Medienpartnern wie dem Verband der Auslandspresse in Österreich und Deutschland, ORF, APA – Austria Presse Agentur, Der Standard, NZZ-Neue Zürcher Zeitung, Vorarlberger Medienhaus etc. getragen.
Die gesamten Bilder zum 6. Mediengipfel am Arlberg finden Sie zum Download unter auf der Seite des APA-Fotoservice (http://www.apa-fotoservice.at/galerie/3708/).